In Deutschland hat sich ein signifikanter Wertewandel von der Nachkriegszeit bis heute vollzogen. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Deutschen vor allem auf wirtschaftliche Erholung und Stabilität ausgerichtet, was Peter Graf Kielmansegg als "passive subject orientation" beschreibt, die sich hauptsächlich auf die Leistung des Systems konzentrierte. In dieser Zeit waren emotionale politische Bindungen selten und man traute dem System keine Überlebenschancen zu, sollte die Leistung nachlassen1.
Ab den 1970er Jahren, beeinflusst durch Ronald Ingleharts Theorien des Wertewandels, gab es eine bemerkenswerte Verschiebung hin zu postmaterialistischen Werten. Ingleharts Theorie der "Stillen Revolution" legt nahe, dass Gesellschaften mit zunehmender wirtschaftlicher Sicherheit neuere Generationen postmaterialistische Ziele wie Gleichberechtigung, Demokratisierung und Umweltschutz gegenüber materialistischen Zielen wie wirtschaftliches Wachstum und Anerkennung von Autoritäten bevorzugen. Diese Verschiebung war in Deutschland aufgrund der spezifischen historischen Umstände des Landes und des Generationenbruchs nach der Nazi-Ära besonders ausgeprägt1.
Die Verschiebung hin zum Postmaterialismus manifestierte sich im Aufstieg neuer sozialer Bewegungen und der Gründung politischer Parteien wie den Grünen, die diese aufkommenden Werte aufgriffen. In den 1980er Jahren wählten etwa 40 % der an den Wahlen teilnehmenden Postmaterialisten die Grünen, was deren Einzug in den Deutschen Bundestag markierte2.
Umgekehrt gab es auch eine reaktionäre Bewegung hin zu materialistischen Werten, gekennzeichnet durch das Aufkommen rechtspopulistischer Parteien wie der AfD, die sich gegen die liberalen Ideale der 68er-Bewegung und ökologische Reformen stellen. Diese Spannung zwischen liberalen und konservativen Werten wird in der Politikwissenschaft durch die GAL-TAN-Achse beschrieben, die einen Konflikt zwischen grün-alternativ-libertären und traditionalistisch-autoritär-nationalistischen Werten darstellt3.
Trotz anfänglicher Bedenken eines deutschen Sonderwegs im Wertewandel hat die empirische Sozialforschung gezeigt, dass Anfang der 1970er Jahre die jüngere Generation in Deutschland tatsächlich stark von postmaterialistischen Wertorientierungen geprägt war, ein Trend, der auch in anderen nordwesteuropäischen Ländern verbreitet ist. Im Laufe der Zeit hat sich die einzigartige Position Deutschlands, die durch einen höheren Anteil materialistischer Orientierungen unter der älteren Generation gekennzeichnet war, allmählich verringert, da diese Gen
erationen durch jüngere, stärker postmaterialistische ersetzt wurden1.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die deutschen Werte in den vergangenen Jahrzehnten erheblich gewandelt haben und die breiteren sozioökonomischen Veränderungen sowie die einzigartige historische Entwicklung des Landes widerspiegeln. Diese Entwicklung setzt sich fort und prägt weiterhin die politische und soziale Dynamik des Landes, was das Zusammenspiel zwischen Generationenwechsel und Wertorientierungen unterstreicht.
Für eine detailliertere Untersuchung über das Thema "Deutsche Wertewandel von der Nachkriegszeit bis heute" und aktuellste Statistiken empfehle ich, auf die umfangreichen Ressourcen der bpb zum Thema zurückzugreifen sowie aktuelle Umfragen und Daten des Statistischen Bundesamtes und von Statista zu konsultieren, die umfassende Einblicke in die gegenwärtig in der deutschen Gesellschaft vorherrschenden Werte bieten.
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